Elisabeth von Dijon - Lebensweihe

Elisabeth von Dijon als gefeierte Pianistin     Elisabeth von der heiligsten Freifaltigkeit        
Hl. Elisabeth von der Hl. Dreifaltigkeit (1880 - 1906)
 

Eine mit natürlichen Gaben reich ausgestattete junge Frau;
als Klausurschwester strahlte sie das Glück völliger Selbsthingabe aus,
immer voll Freude und Dankbarkeit auch in ihrem neunmonatigen Todesleiden.

 

Elisabeth von Dijon (1880 - 1906) trat als junge Frau und hoffnungsvolle Pianistin
in den Karmelitenorden ein und reifte bis zu ihrem frühen Tod zu einer tiefen Mystikerin. 
Ihr Gebet „Elevation à la Trinité” schrieb sie nachts am 21. November 1904
in einem Atemzug als ihr Lebensbekenntnis nieder.
Es zählt zu den schönsten Gebeten der christlichen Mystik.

 

Elisabeth von Dijon - Lebensweihe

am 21. November 1904 nachts
spontan verfasst und geschrieben


O mein Gott, Dreifaltigkeit, die ich anbete: Hilf mir, mich ganz zu vergessen, um in Dir zu wohnen, regungslos 1)  und friedvoll, so als weilte meine Seele bereits in der Ewigkeit.
Nichts soll meinen Frieden stören können, nichts mich aus dir herausziehen können, o mein Unwandelbarer; vielmehr soll mich jede Minute weiter hineinführen in die Tiefe deines Geheimnisses 2).
 
Schenk Frieden meiner Seele, mach sie zu deinem 3)  Himmel, zu deiner geliebten Wohnung und zum Ort deiner Ruhe.
Gib, dass ich dich dort 4)  nie allein lasse, sondern ganz da bin, ganz wach in meinem Glauben, ganz anbetend, ganz ausgeliefert an dein schöpferisches Handeln.
 
O mein geliebter Christus, aus Liebe gekreuzigt 5), ich möchte Braut sein 6)  für dein Herz, ich möchte dich mit Ehre überschütten, ich möchte dich lieben, ja aus Liebe sterben!
Aber ich fühle mein Unvermögen 7). Darum bitte ich dich: bekleide mich mit dir selbst, mach meine Seele eins mit allen Regungen deiner Seele, überflute mich, nimm mich in Besitz, tritt du an meine Stelle, damit mein Leben nur mehr ein Widerschein deines Lebens sei.  Komm in mich 8)  als Anbeter, Versöhner und Erlöser!
 
O ewiges Wort 9), Wort meines Gottes, ich will mein Leben damit verbringen, auf dich zu hören. Ich will ganz offen und gelehrig sein, um alles von dir zu lernen.
Sodann will ich durch alle Nächte 10)  alle Leere und alles Unvermögen hindurch immer den Blick auf dich richten und in deinem hellen Licht bleiben.
O mein geliebter Stern, banne mich fest, damit ich nie mehr aus deinem Strahlenkreis herausfallen kann.
 
O verzehrendes Feuer 11)  und Geist der Liebe, komm über mich, damit in meiner Seele gleichsam eine neue Menschwerdung 12)  des Wortes geschehe: Möge ich ihm eine zusätzliche Menschheit sein, in der er sein ganzes Mysterium erneuern kann.  Und du, o Vater, neige dich zu deinem armen, geringen Geschöpf 13)  herab, sieh in ihm nur den Vielgeliebten, an dem du dein Wohlgefallen hast.
 
O meine Dreifaltigkeit, mein Alles, meine Seligkeit, unendlich einer, Unermesslichkeit, in die ich mich verliere, ich liefere mich dir als Beute 14)  aus. Senke dich 15)  ganz in mich hinein, damit ich mich in dich versenke, bis ich einst in deinem Licht zur Anschauung deiner unermesslichen Größe und Erhabenheit gelange.

 

Anmerkungen:

1)  Regungslos, friedvoll; das ist die Körper- und Geisteshaltung bei der Meditation.
Still vor Gott in Demut und Treue!

2)  Tiefe des Geheimnisses – Mysterium der Lebensbeziehungen in der Dreifaltigkeit: der Vater sieht sich und lebt im Sohn, der Heilige Geist als Kuss der Liebe.

3)  „Mach meine Seele zu deinem Himmel“ – nicht umgekehrt „lass mich zu dir in den Himmel kommen“! Eine starke Aussage!

4)  Ganz wach in meiner Seele, wo Gott schöpferisch handelt – du bei mir!

5)   Gekreuzigt – fast ein Jahr lang schaute sie in ihrer Todeskrankheit auf das kleine, schwarze Holzkreuz an der Wand vor ihrem Krankenbett. Das Kreuz als Brautbett!

6)  Braut für dein Herz: als Karmelitin kennt sie die große Tradition der christlichen Brautmystik. Ich in dir, du in mir im Leben und im Sterben.

7)  Mein Unvermögen: oft wird dies am Anfang der Gebete oder der Liturgie ausgedrückt. Doch steht hier kein Confiteor (ich bekenne Gott meine Sünde), sondern stoßartig folgen wie Glaubensbekenntnisse die Bitten um Gnade und Einswerden mit Christus. Dieser Glaube trägt sie, überwindet moralisches und spirituelles Unvermögen. Kraftvoll im Glauben und in der Hoffnung, leidenschaftlich in ihrer Liebe.

8)  Du in mir, als Heiland und Erlöser! Als Anführer aller, die Gott achten, staunen und anbeten! Sie bettelt nicht um Versöhnung, sondern um das Einswerden und Verschmelzen in Liebe. Dann heilt das Unvermögen der gebrechlichen Kreatur ohne Medizin und komplizierte Kur. Freundschafts- und Liebesmystik im Vertrauen, dass jeder Mensch sich von Natur aus verlieben und sein Glück erleben kann. Das ist hohe Mystik, jenseits von bloßer Askese und traurigem Dahinschleichen.

9)  Kreuz, Braut, Wort und Licht werden ihr zum „geliebten Stern im himmlischen Strahlenkreis“.

10)  Die „dunkle Nacht der Seele“ ihres Ordensbruders Johannes vom Kreuz (+ 1591). Diese tiefste existenzielle Krise kann auch gotttreue Menschen erfassen.

11)  Verzehrendes, reinigendes Feuer des Heiligen Geistes – die Beterin erglüht in ihrer kühnsten Ekstase, an der Grenze mystischen Erlebens.

12)  Voll der Gnade, gebenedeit unter den Frauen – eine neue Menschheit möchte Schwester Elisabeth dem Herrn anbieten, „mir geschehe nach deinem Wort“ wie damals bei Maria von Nazareth. Eine nie gehörte Wortwahl: eine zusätzliche Menschheit, damit der Herr sein ganzes Mysterium erneuern kann, Sakrament der Sakramente. Mystik erhöht den Glauben und jede Lehre, wie jede Rose einen Salatkopf an edler Schönheit und kühnem Wachstum übertrifft.

13)  Sofort folgt das Wissen, dass Christus, der Vielgeliebte Gottes, in einem armen, geringen Geschöpf wie Elisabeth lebt und wirkt, mit dem Wohlgefallen des himmlischen Vaters.

14)  Nimm mich als Beute an dich – welch überraschende poetische Bilder!

15)  Einsenken erinnert im französischen Wortlaut an das Versenken im Grab. Mit Christus im Herzen zum eschatologischen Licht der Anschauung im Himmel!

 


Elisabeth von der Hl. Dreifaltigkeit wurde am 16. Oktober 2016

von Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom heiliggesprochen

Der Papst charakterisierte sie dabei in folgender Weise:

Elisabeth Catez wurde am 18. Juli 1880 im Militärlager von Avord in der Nähe von Bourges (Frankreich) geboren und am 22. Juli in der Lagerkapelle getauft. Ihre Eltern, Hauptmann Joseph Catez und Marie Rolland, waren überzeugte Christen. Nach achtzehn Monaten ließ sich die Familie in Dijon nieder, wo ihre zweite Tochter Margaret geboren wurde. Elisabeth war erst sieben Jahre alt, als ihr Vater plötzlich in ihren Armen starb. Ihre Mutter, eine energische Frau mit großem Einfühlungsvermögen, übernahm die Erziehung ihrer Töchter.

Sie war ein intelligentes, anhängliches, geselliges und lebhaftes Kind, aber auch cholerisch. Bald trat Gott in ihr Leben als die große Wirklichkeit, die sie faszinierte und verführte. Später sagte sie, dass ihre Liebe zu Gott und ihr Gebet seit ihrem achten Lebensjahr so stark waren, dass sie sich ihre Zukunft nur vorstellen konnte, wenn sie sich Ihm ganz weihte: ein Entschluss, den sie im Alter von zehn Jahren anlässlich ihrer Erstkommunion erneuerte und im Alter von vierzehn Jahren mit dem ewigen Gelübde der Jungfräulichkeit (1894) endgültig besiegelte.

Schon in jungen Jahren wurde Elisabeth am Musikkonservatorium in Dijon eingeschrieben, wo sie sofort ein außergewöhnliches Talent als Pianistin zeigte. Ihr Lieblingsmusiker war und blieb immer Chopin. Trotz des „ersten Preises“ im Fach Klavier am Konservatorium wollte sie so schnell wie möglich ihre Ordensweihe im Theresianischen Karmel vollziehen. Der unerschütterliche Widerstand ihrer Mutter - die die Selige zärtlich liebte - sollte für Elisabeth eine wahre Gnade für die Festigung ihrer geistlichen Erfahrung sein. Tatsächlich lebte sie bis zu ihrer Volljährigkeit mit einundzwanzig Jahren ihr kontemplatives Ideal als junge, sozial engagierte Laienfrau, die gerne durch Frankreich reiste: als gefeierte Pianistin, als junge Frau, die um ihre Hand angehalten wurde und sehr aufmerksam für die Bedürfnisse ihrer Nächsten war, als aktive Apostelin in ihrer Pfarrei Saint-Michel in Dijon.

Am 2. August 1901 trat Elisabeth im Alter von 21 Jahren als Volljährige in den Karmel von Dijon ein und nannte sich Schwester Elisabeth von der Heiligen Dreifaltigkeit; am 8. Dezember 1901 erhielt sie die Ordenstracht und legte am 11. Januar 1903 ihre Profess ab. Als zutiefst gläubige und glückliche Nonne - wenn auch durch Leiden geläutert - und von ihren Schwestern sehr geliebt, lebte Elisabeth ihr Ideal mit Kraft und Ausdauer, was sie eines Tages in dem Gebet „O mein Gott, die Dreifaltigkeit, die ich anbete“ zum Ausdruck bringen sollte, das unmittelbar nach ihrem Tod um die Welt ging und im Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 260) weithin zitiert wurde. 

Geplagt von der Addison-Krankheit, die damals unheilbar und sehr schmerzhaft war, ging es mit Elisabeth langsam bergab. Nach großen körperlichen Leiden starb sie am 9. November 1906 im Alter von 26 Jahren. In nur fünf Jahren ihres Lebens im Karmel vollendete Elisabeth ihren schillernden spirituellen Weg, der auch in ihren Schriften und Briefen bezeugt wird und der diese junge Karmelitin zu einer außergewöhnlichen Antwort des christlichen Glaubens auf die Säkularisierung und die vielen Gesichter des zeitgenössischen Atheismus macht.

In einem Brief schrieb Elisabeth mit großem Realismus: „In dieser ganzen Zeit waren wir alle mit so vielen Dingen beschäftigt, und dann begannen die Begegnungen von neuem... Mir scheint jedoch, dass uns nichts von Ihm ablenken kann, wenn wir nur für Ihn handeln, immer in Seiner heiligen Gegenwart, unter jenem göttlichen Blick, der in das Innerste der Seele eindringt; selbst inmitten der Welt können wir auf Ihn hören, in der Stille eines Herzens, das nichts anderes sein will als Er“.

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