Ikone „Elija am Bach Kerit“

Ausharren in der Wüste

 

Elija am Bach Kerit griechische Ikone           
Elija – nackt unter dem Pelzmantel.

Griechische Ikone, 16. Jahrhundert
 

Bildbeschreibung

Eine zerklüftete Felslandschaft türmt sich zu zwei Gipfeln auf, weist stufenförmig weit über den oberen Bildrand in den Himmel hinein. Wüste, Gegend und Erlebnis, Zeit der Gefahr und Bewährung. Selbst der Bach Kerit ist am Vertrocknen. In der Schlucht liegt die große Höhle, deren schwarzer Zugang vor Gefahren droht und zugleich bergenden Schutz verspricht. Hier werden nun die Ereignisse aus 1 Könige 17,2-7 und 19,1-8 dargestellt, Flucht und Zuflucht in der Wüste. Elija gewinnt das Gottesurteil auf dem Berg Karmel, sein Opfer fängt Feuer auf bloßes Glaubensgebet an seinen Gott hin – 350 Baals-Priester wurden dafür hingerichtet. Die Baal-schwärmende Königin Jezabeel verfolgt ihn, er flieht in die Wüste. Und er zweifelt jetzt wohl auch an sich selber, ist aufgerührt, innerlich zerrissen durch das Gewissen, das ihn anklagt.

 

Die Höhle bedeutet auf den Ikonen vor allem bodenlose Gefahr, die Niederung des menschlichen Lebens, Schuld und Tod - ein archetypisches Bild aus der Traumwelt. „Ich mag und ich kann nicht mehr“. Und doch bietet gerade die Höhle auch Zuflucht und Schutz, deshalb nimmt Elija so lässig und entspannt den Platz vor der Höhle ein. Er hat sich auf den Wüstenboden gesetzt, die linke Hand fällt elegant und locker über das Knie, die andere liegt kraftvoll an seiner bärtigen Wange. Haltung und Gesicht des Propheten strahlen Ruhe, Kraft und Würde aus - aber auch Energie und Protest. Mürrisch blickt er hinauf zu den Bergen, von denen ein Rabe ihm Brot bringt, mit Wasser aus dem vertrocknenden Bach Kerit (bläulich linkerhand des Propheten gemalt), also goldene Hoffnung für die Zukunft. Ausharren in der Wüste, Geduld, Hoffnung und Gottvertrauen!

 

Elija - antike IkoneDie Gegensätze im Bild sind groß: die Wüste, nur durch spärliche Aufhellung bekommen die kahlen Stufen und Treppen etwas Leben. Und in dieser Situation von Flucht und Gefahr trägt der Prophet seinen kostbaren Mantel mit Fell und Pelz sowie mit einem weit über den Rücken fallenden Kragen, sein Standessymbol. Er muss sich aber nackt unter dem Pelzmantel fühlen! Ohne das Wort Gottes wäre er nichts, sein Wort würde nicht mehr gehört, er wäre nichts mehr, nackt und frierend dem Untergang geweiht, wie die Baalspriester. Der Mantel bedeutet Gottes Nähe und prophetische Sendung - bei der Himmelfahrt des Propheten wird Elíscha ihn für sich und alle Nachkommen erbitten. Die Ikone stellt also dar, was heute noch gilt und geschieht.    

 

In der Wüste geschieht ein kleines Wunder. Sträucher und Gräser beginnen zu blühen, vom Sturm zerzaust. Fast idyllisch wirkt die Szene, sie soll Mut und Hoffnung machen. Ausharren in der Wüste, und der Glaube schenkt Gottes Schutz und Hilfe. So war es damals, so ist es heute.  Und so erlebt Elija die Gegenwart des Herrn nicht in Sturm, Erdbeben und Feuer, sondern im sanften stillen Säuseln der Bergesluft (1 Kön 19,11f). 

 

 

Ausharren in der Wüste - Meditation

Die Wüste – trostlos und verlassen, Einsamkeit und Gefahr, Hunger und Durst, in der Wüste ist es fad und grausig. Wer durch die Wüste muss, hofft auf ihr Ende, auf das Ziel, auf die Oase oder die Stadt am Rande. Die Wüste ist Ort der Versuchung – das Leben wird zur Wüste, wenn die Versuchung kommt.  Wüste ist ein totales Wort wie Gefängnis, Krankenhaus, Tod.


 

Wüstenzeit – Selbstfindung und Geburt großer Ideen. In der Wüste ist es still, man wird nicht gestört und hat Zeit. Vor allem das große Schweigen – kreativ wie der Traum in der Nacht. Alle großen Religionsstifter haben sich in der Wüste gereinigt und wurden dort zu großen Ideen und Taten erleuchtet. Abraham, Mose, Gautama Buddha (+480 v. Chr.), Jesus selber, Paulus zwei Jahre lang.  „Wer einmal Großes künden will, schweigt viel in sich hinein. Wer einmal Blitze zünden will, muss lange Wolke sein“ (Fr. Nietzsche).

 

Wüstentage erlebt jeder Mensch. Manche überspielen dies oder fliehen in Betriebsamkeit und Lärm. Wüstentage – das ist eine Trauerzeit, Warten, Angst, das Alter selbst, Alleinsein, Verzweifeln. Wer in solchen Zeiten durchhält, glaubt, hofft und reift, der wird weise und Ratgeber vieler Menschen.

 

Wüstenerfahrung im Innehalten, in Gebet und Meditation – und vor allem in der Stille. Die Meditationsikone „Elija in der Wüste“ kann und soll sich in uns tief einprägen. Was uns geschenkt wird, ist nicht nur das Brot des Raben und das Wasserrinnsal im vertrockneten Bach Kerit, sondern das Wort des Herrn: „Mach dich getrost auf, du hast noch einen weiten Weg vor dir!“ (1 Kön 19,7).

 

Wunder in der Wüste
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